Montag, 9. Oktober 2006

Bis an die Grenzen belastet - Anspruchsvolle Jahresübung im Landkreis

fri Dannenberg. Die Auswirkungen eines Tornados standen im Mittelpunkt der Jahresübung von Feuerwehren und Hilfsorganisationen im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Rund 330 Frauen und Männer hatten dabei am Sonnabend über mehrere Stunden unvorbereitet anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen.
Das Übungsszenario „Tornado“ haben Stefan und Thomas Schmidt, nicht einfach aus der Luft gegriffen. Der Umweltzugführer der Feuerwehr und sein Stellvertreter stützten sich bei der Ausarbeitung und Vorbereitung der Übung auf statistische Zahlen. Der im Osten vor wenigen Tagen aufgetretene Tornado und dessen Folgen bestätigten sie zusätzlich in ihrer Übungsanlage.
Im Jahr 2006 traten allein in Deutschland bisher rund 50 bestätigte Tornados und zahlreiche Verdachtsfälle auf. In Lüchow-Dannenberg wurden im Juni ein Auftreten bei Rebenstorf und im Juli bei Tollendorf festgestellt. Letzterer erreichte die internationalen Stufe F1 bis F2 (Fujita-Tornado-Skala), er war mit Windgeschwindigkeiten bis zu 251 Kilometern in der Stunde als „stark“ einzuordnen.
Die Stufe F2 sollte, wie bei Tollendorf, auch der für die Übung im Landkreis angenommene Tornado erreichen. Damit waren umfangreiche Schäden zu erwarten, darunter das Abdecken ganzer Dächer, umstürzende Bäume und Gegenstände aller Art, die als gefährliche Geschosse umherfliegen würden.
Zu Übungsbeginn wurde zunächst die Technische Einsatzleitung (TEL) im Lüchower Kreishaus mit fiktiven Lagen „warmgespielt“. Dabei sorgte der Tornado in Hitzacker für erste Schäden, bevor er über Streetz nach Dannenberg zog.
Dort war es mit der Fiktion und der Ruhe für Feuerwehr und Hilfsorganisationen vorbei. Der Tornado richtete an mehreren Stellen große Schäden an, die daraus resultierenden Folgen hielten alle eingesetzten Kräfte in Atem.
Nach einem Blitzeinschlag brannte die Wendland-Schule, durch den starken Wind drohte es auf eine Einrichtung der Lebenshilfe überzugreifen. Mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks übernahm die Kreisfeuerwehrbereitschaft unter dem Kommando von Karl-Christian Schlenker die Brandbekämpfung. Angehörige des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und des Ambulanz-Dienstes-Kölln (ADK) evakuierten aus Sicherheitsgründen rund 40 Bewohner aus dem Bereich für betreutes Wohnen und kümmerten sich außerhalb der Gefahrenzone um sie.
Kaum waren diese Herausforderungen gemeistert, herrschte auf einem Firmengelände unweit des Dannenberger Bahnhofs das Chaos. Ein Schadstofflager war beschädigt, gefährliche Flüssigkeiten drohten auszulaufen. Während der Umweltzug der Feuerwehr unter Hans-Jürgen Meier anrückte, trafen weitere Hiobsbotschaften bei der TEL ein. Betonwände hatten Arbeiter verschüttet, auf einem Silo befand sich in großer Höhe eine verletzte Person. Dazu drang noch Wasser in eine Halle, so dass im Gefahrstofflager weitere „Gefährliche Stoffe“ freigesetzt worden sind. Außerdem wurden unter dem Dach dieser Halle auch noch verschüttete Mitarbeiter der Firma vermutet.
Meier setzte seinen Umweltzug umgehend zur Feststellung der Lage und zur Rettung der Verletzten ein. Unter Vollschutz wurden mehrere „Üb-Verletzte“ geborgen und einer medizinischen Versorgung zugeführt. Hier, wie an den anderen Schauplätzen stellten rund 15 Angehörige des Jugend-Rotkreuzes die Katastrophenopfer dar. Täuschend echt von der Realistischen Unfalldarstellung (RUD) geschminkt und mit vollem Engagement konnten sie weder Kälte noch Nässe von ihrem realitätsnahen Einsatz abbringen.

Die Bergung des Verletzten auf dem Silo führten die „Höhenretter“ der Gorlebener Grubenwehr durch. Ihre Angehörigen nahmen, wie auch die Betreuungsgruppe Lüchow-Dannenberg e.V. des Krankentransportunternehmens ADK, erstmals an einer Jahresübung teil.
Als die Löscharbeiten der Kreisfeuerwehrbereitschaft auf dem Firmengelände zu Ende gingen, kam nicht der erwartete Befehl „Übungsende“. Im Waldgebiet an der Bundesstrasse Richtung Dömitz gab es als Folge des Tornados mehrere Schwerverletzte. Die sofort heranrückenden Kräfte der Feuerwehr, des THW und des DRK konnten jedoch nicht zu den Unfallopfern vordringen, auf einer Strecke von rund 800 Metern lagen fast 40 Bäume über die Strasse. Während ein Teil der Kräfte einen anderen Weg suchte, beseitigten die Kettensägen der Feuerwehr Baum für Baum. Diese Frauen und Männer kamen nur langsam vorwärts, wie von der anderen Seite auch das DRK und das THW.
Zu den Beobachtern dieses und aller anderen Übungsabschnitte gehörten eine Gruppe von Angehörigen der Kreisverwaltung und Soldaten des künftigen Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr. Diese machten sich ein Bild von der Leistungsfähigkeit des Katastrophenschutzes in Lüchow-Dannenberg und waren dabei sehr beeindruckt von der Übungsanlage und der Bewältigung der gestellten Aufgaben.
Kreisbrandmeister Uwe Schulz stellte im Wald bei Seybruch fest, dass die Anforderungen dieses Übungsabschnittes die Beteiligten bis an ihre Grenzen führten. Trotzdem konnten die gestellten Anforderungen unter erheblichem Zeitdruck erfüllt und die Verletzten gerettet werden. Dies bedeutete zugleich das Ende der „Tornado-Katastrophe“.
Während einer ersten kurzen Übungsbesprechung drückte Schulz den Organisatoren Stefan und Thomas Schmidt seine Anerkennung für die wochenlange intensive Vorbereitung aus. Der Kreisbrandmeister und die beiden Übungsleiter hoben jeweils die gezeigte gute Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organisationen hervor. Außerdem bedankten sie sich bei den Firmen und Einrichtungen, die bereitwillig Unterstützungsarbeit bei der Vorbereitung der Übung leisteten.
Die Erfahrungen vom Sonnabend werden in den nächsten Wochen ausgewertet, die Übungseinsätze auf Schwachpunkte untersucht. Dabei gewonnene Erfahrungen sollen dann möglichst schnell in die Vorbereitungen für echte Einsätze eingearbeitet werden.

Text: Johann Fritsch mit Ergänzungen durch Stefan Schmidt, Zugführer Umweltzug